Vom Putzen zum Pflegen

Vortrag von Christine Krokauer von 2015 im Naturkaufhaus Würzburg:
Christine Krokauer ist Familien- und Sozialberaterin (AV) und Heilpraktikerin beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie nach HPG.
Im Rahmen des Würzburger Projekts Seelengarten hat Sie ein Ausbildungsinstitut für angehende Heilpraktiker für Psychotherapie, Cardea-Therapeuten und weitere therapeutische Fortbildungen gegründet sowie den LebensRaum für Persönlichkeitsentwicklung und das WeltenWandler-Projekt.

Christine Krokauer. Bild: Britta Leonhard-Kuschner.
Christine Krokauer. Bild: Britta Leonhard-Kuschner.

Vom Putzen zum Pflegen

Die Heinzelmännchen zu Cölln von August Kopisch

Wie war zu Cölln es doch vordem
mit Heinzelmännchen so bequem!
Denn war man faul, man legte sich
hin auf die Bank und pflegte sich.

Da kamen bei Nacht, eh man's gedacht,
die Männlein und schwärmten,
und klappten und lärmten,
und rupften und zupften,
und hüpften und trabten,
und putzten und schabten,
- und eh ein Faulpelz noch erwacht, war all sein Tagwerk bereits gemacht! 
(…)
Neugierig war des Schneiders Weib,
und Macht sich diesen Zeitvertreib:
Streut Erbsen hin die andre Nacht, 
die Heinzelmännchen kommen sacht:
Eins fähret nun aus, 
Schläft hin im Haus,
Die gleiten von Stufen,
Und plumpen in Kufen, 
Die fallen mit Schallen,
Die lärmen und schreien. 
Und vermaledeien!
Sie spring hinunter auf den Schall
Mit Licht: Husch husch husch husch – verschwinden all!
Oh weh!
Nun sind sie alle fort 
und keines ist mehr hier am Ort! 
Man kann nicht mehr wie sonsten ruhn,
man muss nun alles selber tun! 
Ein jeder muss fein selbst fleißig sein, 
und kratzen und schaben
und rennen und traben
und schniegeln und biegeln
und klopfen und hacken
und kochen und backen
Ach, dass es doch wie damals wär! 
Doch kommt die schöne Zeit nicht wieder her! 

Wie Kopisch in seinem Gedicht, wünschen wir uns auch Heinzelmännchen. Vielleicht nicht für jeden Tag, gewiss aber für die Tage, an denen große Aktionen anstehen wie Hausputz, Entrümpeln und anderes. Wie sagt es Wilhelm Busch:

Wem Mutter Natur ein Gärtchen gibt und Rosen, dem gibt sie auch Raupen und Blattläuse, damit er’s verlernt, sich über Kleinigkeiten zu entrüsten.

Wilhlem Busch

Vielleicht steckt in diesen Zeilen schon der Schlüssel für einen anderen Umgang mit lästigen Themen! Ich möchte heute vom Putzen sprechen.

Jeder Mensch muss putzen

Jeder einzelne Mensch muss putzen, wenn er nicht alle zehn Jahre aus seiner Wohnung polizeilich herausgeschnitten werden will, weil er aus dem angesammelten Dreck nicht mehr aus eigener Kraft herauskommt. Wir wollen einmal sammeln, was putzen bedeutet. Sagen Sie mir bitte: Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie das Wort „putzen“ oder „Hausputz“ hören? TAFELANSCHRIEB der Zurufe. Schauen wir uns an, was wir hier sehen. Putzen ist sehr negativ besetzt, aber einige von Ihnen können dem Putzen doch etwas abgewinnen. Dankeschön! Im letzten Jahr kam ich zu einem Seminar für Therapeuten. Eine Gastreferentin war angekündigt und wir waren alle sehr gespannt auf sie. Die Tür öffnete sich und ein Putzwagen erschien, gefahren von einer Frau, die nicht den Eindruck einer Putzfrau auf mich machte. Es war Linda Thomas, eine in der Schweiz und inzwischen auch in Deutschland sehr bekannte Frau, die in Arlesheim/Schweiz eine Reinigungsfirma leitet, inzwischen aber überwiegend für Seminare die ganze Welt bereist. Wir wurden in eine Dimension des Putzens eingeführt, die unseren Horizont erweitert hat. Nach dem Wochenende fuhren wir alle so motiviert heim, dass beim nächsten Treffen der Therapeuten jeder berichtete, dass er sein gesamtes Haus gewienert hatte. Vielleicht kann ich Ihnen ein wenig von der Fülle schenken, die ich selbst an diesem Wochenende erhalten habe. Was hat unsere Einstellung zum lästigen Putzen so verändert? War es der Anblick von Linda Thomas, die, auf den Fliesen kniend, mit der Hand im Klo verschwand und dort mit einem Schwamm Kalk und Urinstein entfernte?

Quell der Freude

Was uns im ersten Moment vorkam wie ein Horrorszenario, bekam an diesem einen einzigen Tag mit ihr Sinn. Und genau das versuche ich Ihnen heute zu vermitteln. Dazu möchte ich Ihnen eine Geschichte erzählen. Ein indischer Maharadscha hatte zwei Söhne. Der eine war ein Quell der Freude, er war klug, geschickt und handelte umsichtig. Der zweite Sohn konnte sich aber kein einziges Mantra merken. Der Maharadscha verzweifelte fast und am Ende schickte er den Dummkopf ins Kloster. Die Mönche dort nahmen den Jungen auf und hießen ihn putzen. Während er die endlosen Böden wischte, musste er permanent das erste Wort des Mantras aufsagen. Konnte er das, kam das zweite dazu. Im Lauf der Jahre lernte der Junge immer mehr Mantren, bis er am Ende alle Mantren konnte. Alle Menschen im Reich des Maharadschas lobten die Klugheit seines ersten Sohnes. Den zweiten Sohn aber liebten sie wegen seiner Bescheidenheit, seiner Reinlichkeit und seiner Liebekraft. Hier sehen wir schon ein wenig durchschimmern vom Motto: Vom Kehren zum Be-Kehren. Linda Thomas berichtete uns damals einiges aus ihrem Berufsalltag.

Putzfrau als Beruf

Putzfrau! Das sucht sich niemand freiwillig aus, auch sie hat das nicht getan. Doch sie versuchte, aus dem Beruf das Beste zu machen. Als sie die Geschichte des Maharadschas hörte und den Bericht eines Mönchs im Kloster las, der jahraus, jahrein das Geschirr der Mitbrüder spülen musste und dabei immer ein Sprüchlein aufsagte und nach 40 Jahren erleuchtet war, begann sie zu spüren, dass hinter dem Akt des Saubermachens etwas anderes stecken muss. Denken wir uns ein Zimmer. Wir betrachten es in Gedanken. Gehen Sie mal in einen Ihrer Räume. Haben Sie darin Ecken, die Sie lieber nicht anschauen, weil da seit Jahren unsortierter Krempel steht? Haben Sie Spinnweben an der Zimmerdecke, wo der Trockenblumenstrauß seit Ihrer Hochzeit bröselnd hängt? Hassen Sie es, wenn Sie sich bücken müssen, um unter dem Schreibtisch zehn Kilometer Kabelsalat anzuheben und darunter Wollmäuse in beachtlichen Kolonien finden? Kriegen Sie die Krise, wenn der Hund in den frisch geputzten Flur kommt und sein triefend nasses Fell ausschüttelt? Geht es Ihnen so, dass immer im eben gewischten Gang ein unsensibler Mensch mit seinen Schuhen hereintrampelt? Oder gehören Sie zu der Sorte Mensch, die mit einem Papiertüchlein die Haltestange im Bus umgreifen? Die sich die Hände waschen, wenn sie berührt worden sind? Die ohne Sagrotantüchlein niemals eine Zugtoilette aufsuchen würden? In deren Wohnung garantiert Milliarden Bakterien nur darauf lauern, sich auf sie zu stürzen und zu vernichten? Geben Sie sich einen Moment der Ruhe und schauen Sie mal in Gedanken hin, in welche Ecke Sie sich selbst stellen würden. „Nichts ist sinnloser als Putzen.“ Diesen Satz höre ich sehr oft, wenn das Thema Putzen aufkommt. Glauben Sie mir, ich höre ihn sehr oft, denn ich betreue die Wasch- und Putzmittelabteilung hier im Haus mit. „ Kaum hab ich geputzt, ist der Dreck doch wieder da!“ Oh ja, das stimmt wohl. Wir Menschen haben Freude daran, Bleibendes zu schaffen. Putzen ist die schnellste Attacke dagegen. Kaum geputzt, schon wieder dreckig. Putzen wird zum Ärgernis, zum Sinnbild der Sinnlosigkeit. Putzen ist absolut be-scheuert. Putzen zeigt uns, dass das Bleibende, das zu schaffen wir massiv gewillt sind, eine Farce sein kann, eine der vielen Seifenblasen unseres Daseins.

Putzen als existenzielle menschliche Erfahrung

Wer immer einen Lappen, einen Schrubber oder einen Besen in die Hand nimmt, macht eine existenzielle menschliche Erfahrung: Er schafft etwas Wunderbares, er erlebt in kürzester Zeit eine unglaublich positive Wirkung. Wie fühlen Sie sich, wenn Sie einen total verkrusteten Topf gereinigt haben? Er glänzt und Sie wissen, was Sie da gerade geleistet haben? Aber: binnen kurzem der Absturz. Putzen ist eine Liebeserklärung an die Gegenwart. Haben Sie das schon einmal bedacht? Nehmen Sie den Satz aus Hesses Siddharta dazu: Nichts war. Nichts wird sein. Alles ist und hat Wesen und Gegenwart. Nehmen Sie die Überlegung dazu: Wann leben Sie? Im Gestern? In der endlosen To-do-Liste des Morgens oder ist es nicht so, dass Sie immer, in jeder Sekunde Ihres Lebens, exakt den Moment der Gegenwart zum Leben haben? Nur diese Winzigkeit von Augenblick in der Ewigkeit von Raum und Zeit? Wer putzt, schafft Ordnung. Ordnung bedeutet nicht nur im Raum Sauberkeit und Klärung. Wie oft gehen wir missmutig ans Putzen und sind danach förmlich aufgeräumt. Der saubere, ordentliche Raum befriedigt uns sehr. Alles steht an seinem Platz, die Welt ist gerade gerückt, es riecht gut und wir sind froh und stolz über unsere Leistung. Putzen ist Kultur schaffend. Denken Sie an die vielen Bilder in Zeitungen und Fernsehen, die Wohnungen vor Augen führen, in denen Menschen im Dreck fast ersticken. Eine saubere Wohnung vermittelt uns beim bloßen Anblick ein ganz anderes Bild von einem Menschen als so ein Chaos. Wir Menschen fühlen uns in einem sauberen Umfeld einfach wohler. Warum? Chaos und Dreck symbolisieren Wirrniss und Untergang, lassen Bilder von Ungeziefer und Krankheiten aufsteigen. Wir wissen instinktiv: Das Gesunde, das Gesundende ist eher im sauberen Umfeld zu entdecken als im Saustall. Spüren wir einmal nach. Am Abend ist es spät geworden, es war schön und die Gäste gingen erst weit nach Mitternacht.

Berge von Geschirr

Wir haben Berge Geschirr in der Küche stehen. Wenn wir am Morgen in die Küche kommen und die Arbeit sehen, spüren wir in uns instinktiv, dass das nicht wirklich gut ist. Kleider auf dem Fußboden sind nicht nur Sprengstoff in vielen Beziehungen. Wir spüren ganz genau, dass das nicht richtig sein kann. Nicht geleerte Mülleimer mögen nicht störend sein, etwas in uns bemerkt aber die Tatsache – im Abfall lebt wesenhaft Ungutes. Wir kämpfen jeden Tag mit dem Schmutz. Und genau das ist es auch, warum der Schmutz so gern und schnell wiederkommt. Er kann nicht anders. Unzufriedenheit öffnet dem Chaos Tür und Tor. Wenn wir ein Zimmer reinigen wollen, sollten wir uns erst einmal einen Überblick verschaffen, was zu tun ist. Lassen Sie Ihren Blick schweifen. Beginnen Sie in einer Ecke und wandern Sie Schritt für Schritt in Gedanken durch den Raum. Schauen Sie zuerst: Was stört mich in diesem Zimmer am meisten? Wenn Sie das Stadium der Selbstlüge („Wieso, hier ist doch alles bestens, naja, okay, der Sockenberg unterm Bett ist nicht prickelnd, aber gucken Sie doch mal bei meiner Freundin, da steht der Topf von der Vorwoche auf dem Herd und schimmelt vor sich hin!“) hinter sich haben, finden Sie die Ecken, die an-ecken. Der Gegensatz von Pflegen ist Vernachlässigen. Vernachlässigt ist alles, wo unser waches Bewusstsein nicht hingelangt. Sehen wir nicht die trockene Erde der Pflanzen, vernachlässigen wir das Gießen, stirbt die Pflanze. Schauen wir nicht bewusst unter den Schrank, sehen wir den Dreck nicht. Wir erfahren vielleicht erst durch eine Allergie gegen Hausstaub, dass wir seit Jahren unser eigenes Leiden großgezogen haben. Vernachlässigung ist die passive Form von Vandalismus. Es gibt Schulen, die von Schülern und Lehrkräften geputzt werden. Diese Schulen kennen Zerstörung nicht. Warum? Die Kinder haben ein anderes Verhältnis zu den Dingen. Vandalismus kann man nicht ausüben gegenüber Dingen, denen man seine Aufmerksamkeit geschenkt hat. Vandalismus ist ein Ausdrucksmittel unserer Zeit, ein Sinnbild dafür, dass wir die Verantwortung für das Wohl unserer Umwelt so gern abgegeben haben. An die Müllabfuhr, an die Sozialämter, an die Polizei, die Ärzte, die Krankenkassen und die 1-Euro-Jobber hinter dem Reisigbesen. Vandalismus hat dort keine Chance, wo wir uns verantwortlich fühlen für die Dinge. Wir zerstören kaum unseren Mixer und unsere Duschwand, denn wir möchten gern wieder einmal duschen oder uns einen Kuchen zubereiten. Wir fühlen uns für die Dinge verantwortlich. Das ist der Gegensatz von Vandalismus. Gehen Sie bewusst durch Ihre Wohnung.

Hinter den Schränken

Wie sieht es unter und hinter den Schränken aus? Haben Sie da nach Ihrem Einzug jemals wieder einen Blick hingetan? Ecken sind wahre Müllfallen. Beleuchtungskörper werden beim Einzug aufgehängt und dann vergessen. Manchem Mitmenschen ginge ein Licht auf, wenn er mal die Fliegenleichen aus zehn Jahren aus dem Plastikmantel der Neonröhre herausnähme. Unter mancher Toilette wächst ein geheimer Kristallgarten mit Stalagmiten und Stalaktiten. Lernen Sie das alles gründlich kennen! Schauen Sie genau hin! Das ist die Welt, die Sie sich selbst schaffen. Entscheiden Sie – wollen Sie das so fortführen? Soll sich etwas ändern? Ich höre oft: „Ich bin am Abend viel zu müde, um zu putzen und am Wochenende will ich endlich auch mal Spaß haben!“. Ja. Müde machen Dinge, die man tun muss. Wenn wir sagen: §Ich muss noch das erledigen, ach Gott, und das und das auch noch und Mist, das hab ich ganz vergessen und auch noch putzen, Elend, das sifft doch eh gleich wieder ein“ zeigen wir nur eines: Wir sind nicht wirklich der Meister unseres Lebens, sondern das Rad des Alltags zieht uns herum wie Hamster. Müssen und putzen ist eine ungute Verbindung. Wir dürfen aus dem kleinen Chaos um uns herum ein wunderbar entspannendes Ambiente schaffen. Wenn wir putzen, sehen wir sofort ein befriedigendes Ergebnis. Arbeiten kann sinnlos sein, putzen niemals. Putzen ist immer sinn-haft, denn Sauberkeit schafft Möglichkeiten und Klarheiten, nicht nur bei Spiegeln. Wie oft erleben Sie, dass bohrende Fragen beim Putzen wie nebenbei gelöst werden. Nein, hier ist kein Wunder geschehen, aber das Tun im Außen hat dafür gesorgt, dass das Chaos im Inneren mitgestaltet worden ist.

Menschliche Fürsorge

Menschliche Fürsorge wird im Putzen unmittelbar. Wenn wir für einen anderen Menschen Sauberkeit schaffen, weil er selbst nicht dazu in der Lage ist, helfen wir ihm, sich in seiner Welt wieder wohl zu fühlen. Wir gestalten sein Umfeld gesundend, wohltuend und das ist eine Dienst-Leistung im besten Sinn. Sinn im Putzen erkennen zu können ist der Unterschied zwischen Putzen und Pflegen. Zusammenfassend möchte ich sagen: Pflegen bedeutet, unsere Umwelt so zu gestalten, dass wir uns darin wohl fühlen, weil wir als Menschen positiv in Erscheinung treten. Pflegen ist immer sinnhaft. Wir schaffen aus dem Chaos Oasen der Gemütlichkeit. Von mir aus auch am siebten Tag! Pflegen bedeutet, den Wert unserer Möbel zu erhalten, pflegen meint, allem in unserer Umgebung die angemessene Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Wenn wir die Dinge unseres täglichen Gebrauchs pfleglich behandeln, werden wir selten Handwerker brauchen. Nach diesen theoretischen Ausführungen zur Praxis. Beim Putzen können Sie mit dem beginnen, was Sie am meisten stört, denn wenn Sie das bewältigt haben, haben Sie ein wunderbares positives Erleben daran. Ansonsten geht man im Zimmer so vor, dass man sich von Ecke zu Ecke durcharbeitet, bei der Tür beginnend. Arbeiten Sie von oben nach unten. Am Schluss kommt der Boden. Oft ist es sinnvoll, überall Staub zu wischen, dann komplett zu saugen und zu wischen, aber was für ein normales Haus noch passend ist,wird in einer zehnköpfigen Familie mit 300 Quadratmetern Wohnfläche nicht durchführbar sein. Seien Sie also so flexibel wie die Reinigungsbürste Ihres Heizkörpers. Kommen wir zum Werkzeug. Achten Sie stets darauf, dass der Ort, an dem Sie Ihre Reinigungssachen aufbewahren, luftig und sauber ist. Verwahren Sie Ihre Utensilien in einer dumpfen Besenkammer? Denken Sie sich bitte an die Stelle Ihres Schrubbers.

Dem Chaos ein Ende

Sind Sie, untergebracht in einer muffigen Ecke, permanent der Finsternis ausgeliefert, fröhlich und bereit, Chaos ein Ende zu bereiten oder erfüllt Sie Angst und Wut? Das meine ich. Putzen bedeutet keinesfalls Nahkampf. Verwenden Sie also stets angemessenes Werkzeug. Handeln Sie bitte nach dem Motto: Weniger ist mehr. Sie brauchen ganz wenig Werkzeuge und noch weniger Putzmittel. Viel hilft viel ist beim Pflegen ein terroristischer Akt. Haushalte sind wahre Chemieschleudern. Was wird nicht alles verwendet, um sich die Arbeit zu erleichtern! Sprays gegen Kalkflecken werden eingesetzt. Fingerdick aufgesprüht, sollen sie selbstreinigend alles runterholen, danach abspülen, fertig ist der Glanz! Möglich. Haben Sie darüber nachgedacht, dass das, was wir täglich ins Abwasser spülen, früher oder später wieder als Trinkwasser in Ihrem Hahn landet? Trinken Sie gern hochkonzentrierte Reinigungsmittel? Lieben Sie tote Fische? Halten Sie es für angemessen, anstatt mit einer einfachen Bürste Haare aus dem Sieb zu popeln, kiloweise Rohrfrei einzuwerfen? Arbeiten Sie wesentlich mehr händisch, verlassen Sie sich nie auf die Kunst der Chemie. Sie unterstützen damit Lebensprozesse, die letztlich Ihren Kindeskindern zugute kommen. Sie brauchen als Handwerkszeug zum Abstauben entweder Mikrofaserlappen oder langlebige Leder. Straußenfedern sind heimliche Favoriten im Kampf gegen Staub. Ziegenhaarpinsel sind sanft und reinigen gründlich. An Putzmitteln genügen einfachste Hilfsmittel. Neutralreiniger, Schmierseife sind grundlegend.

Wiener Kalk

Für Edelstahlspülen gibt es ein wahres Wundermittel, Wiener Kalk. Das Wienern kommt daher. (wird erklärt) Fensterputzen gilt als sehr verhasst, dabei ist es hilfreich, wenn wir wieder einen guten Durchblick haben. Erst die Rahmen, dann die Ecken. Mit einer Abziehlippe kommt man schnell voran. Leder sind hier die Mittel der Wahl. Arbeiten Sie niemals hektisch. Rhythmus ersetzt Kraft. Arbeiten Sie immer ruhig und konzentriert. Halten Sie sich an das, was die neue Hirnforschung „Flow“, die alten Chinesen aber „tu, was du tust“ genannt haben. Wenn Sie das Fenster putzen, putzen Sie das Fenster. Wenn Sie Staub wischen, wischen Sie Staub. Gehen Sie mit Ihrem Bewusstsein in die Dinge hinein und wenn Sie darin geübter sind, werden Sie die besondere Magie des Putzens erleben: Ihnen wird Zeit geschenkt. Sie brauchen nicht mehr so lange zum Pflegen wie zum Putzen. Fragen Sie beim Putzen immer: Was kann ich jetzt verwandeln? Bedenken Sie, dass Sie beim Putzen nicht nur Schmutz entfernen. Stellen Sie sich den Schmutz einmal als Wesen vor. Fragen Sie: Was verwandle ich nun, was erlöse ich, wovon kann ich mich frei machen? Lernen Sie wahrzunehmen, was für Bedürfnisse Ihr Haushalt hat. Es gibt sichtbaren und unsichtbaren Schmutz. Linda Thomas arbeitet sehr viel in Heimen. Sie schilderte uns einen Fall, als sie das Zimmer eines blinden Mädchens gereinigt hatte. Als das Mädchen ihr geputztes Zimmer betrat, fragte sie erstaunt: Ist mein Zimmer höher? Als Linda in den Raum eines Menschen ging zum Reinigen, spürte sie, dass hier viel Ungutes lebt. Sie putzte, putzte und putzte und hatte auch nach Stunden noch das Gefühl, nicht fertig zu sein. Sie berichtete, dass sie neun Stunden an diesem Raum gearbeitet hat. Wochen nach dieser Putzaktion bekam sie einen Anruf. Der Raum war von einem Jungen aus extremsten Verhältnissen bewohnt worden. Der Junge hatte permanent sein Bad eingekotet, die Wände beschmiert und sich im Kot gewälzt. Als er sein Zimmer und das Bad nach der Reinigung betrat, war er wie erstarrt. Er hat nie mehr eingekotet. In einer Schule putzte Linda über Jahre immer die Klassenräume in den Sommerferien. Als Sparmaßnahme bat eines Jahres die Schulleitung darum, die Decke nicht mehr zu reinigen. Als die Klasse ihren Raum wieder betrat, riefen mehrere Schüler aus: Dieses Jahr ist die Decke in den Ferien gar nicht gestrichen worden!

Reinigende Wirkung

Ich denke, solche Wirkungen sollten wir beim Reinigen im Hinterkopf behalten. Verwenden Sie so wenig wie möglich, arbeiten Sie rhythmisch, sorgsam, aufmerksam und konzentriert und vergessen Sie nicht – keine Tätigkeit ist so schnell so erfolgreich wie Putzen. Und nichts ist vergänglicher wie die Schönheit eines frisch geschrubbten Flurs in einer Familie. Lernen Sie dieses Spannungsfeld schätzen und achten. So, wie Sie Ihr Umfeld gestalten, gestalten Sie Ihr Leben. Putzen ist Andacht, Putzen ist Erlösung, Putzen ist aktiver Umweltschutz, Putzen ist ein Akt der direkten Menschlichkeit. Putzen bedeutet niemals Hygienewahn. Sorgfältiges Putzen achtet das Notwendige und vermeidet Umweltbelastungen, unnötigen Einsatz von Chemie und bedeutet Achtung und Wertschätzung dem gegenüber, was man sich als seine eigene Umgebung schafft.

Die Kunst ist etwas Schönes, macht aber viel Arbeit.

Karl Kraus

Karl Kraus sagt: Die Kunst ist etwas Schönes, macht aber viel Arbeit. Mit dem Pflegen ist es ähnlich. Lassen Sie sich jeden Tag aufs Neue auf dieses Abenteuer ein. Sie werden es nicht von heute auf morgen lieben lernen. Aber Sie können das Pflegen als Übung betrachten. Übung in Menschlichkeit, im Ordnung schaffen, im Bewältigen von immer wiederkehrenden Aufgaben, als Schulstunde der Achtsamkeit und Liebe. Und was meint Khalil Gibran dazu? Mit seinen Worten aus „Der Prophet“ möchte ich Sie ermutigen, mit Freude die Stalaktiten und Stalagmiten unter Ihren Toiletten kennen zu lernen, sich waghalsig ins Entrümpeln düsterer Ecken in Ihrem Leben zu stürzen und Weltenordnung im Kleinen zu schaffen!

Der Prophet (von Khalil Gibran)

„Da bat ein Pflüger: Sprich uns von der Arbeit! Er begann und sprach: Ihr arbeitet, um mit der Erde und der Erdenseele Schritt zu halten. Wer müßig geht, verliert die Fühlung mit den Jahreszeiten und verlässt die Prozession des Lebens, welche majestätisch und in stolzer Demut dem Unendlichen entgegen schreitet. Wer arbeitet, ist einer Flöte gleich, durch deren Herz der Stunden Flüstern zieht und in Musik verwandelt wird. … Man hat euch eingeredet, Arbeit sei ein Fluch und Schweiß ein Unglück. Ich aber sage euch: Ein Stück des höchsten Erdentraums macht ihr mit eurer Arbeit wahr, euch zugeteilt, als dieser Traum geboren wurde. Erst wenn ihr Mühen auf euch nehmt, liebt ihr in Wahrheit dieses Leben. Das Leben lieben durch Sich-Mühen heißt, vertraut zu sein mit seinem innersten Geheimnis. … Des Weiteren hat man behauptet, Leben, das sei Dunkelheit. Und müde, wie ihr seid, sprecht ihr den Müden solches nach. Ich aber sage euch, das Leben ist tatsächlich Dunkelheit, es sei denn, Drang ist mit dabei, und aller Drang ist blind, es sei denn, Wissen ist dabei, und alles Wissen ist umsonst, es sei denn, Arbeit ist dabei, und alle Arbeit leer, es sei denn, Liebe ist dabei. Wenn ihr mit Liebe arbeitet, verbindet ihr euch mit euch selbst, mit euresgleichen und mit Gott. Was heißt: mit Liebe arbeiten? Es heißt, ein Kleid zu weben aus den Fäden eures Herzbluts, so, als werde euer Schatz es morgen tragen. Es heißt, ein Haus mit Zuneigung zu bauen, so, als wäre euer Schatz der künftige Bewohner. Es heißt, mit Fleiß zu säen und die Ernte fröhlich einzuholen, so, als äße euer Schatz schon bald die neue Frucht. Es heißt, die Dinge, die ihr herstellt, sämtlich mit dem Atem eures Geistes zu durchdringen, und dabei zu wissen: Alle seligen Toten stehen um euch her und schauen bei der Arbeit zu. … Nur der hat Größe, der des Windes Stimme in ein Lied verwandelt und durch dessen Liebe es noch lieblicher erklingt. … Was Arbeit ist? Sichtbar gemachte Liebe. Und wenn ihr nicht mit Liebe, nur mit Widerwillen eure Arbeit tun könnt, lasst sie besser liegen, setzt euch an die Tempelpforte und erbettelt die Almosen jener, die mit Freude ihre Arbeit tun. Denn wenn ihr unbeteiligt Brot im Ofen backt, so backt ihr bittres Brot, das euren Hunger nur zur Hälfte stillt. Und wenn ihr an der Traubenpresse murrt, vergiftet eurer Murren allen Wein. Und wenn ihr sänget wie die Engel, liebtet aber euer Singen nicht, so stumpftet ihr die Ohren eurer Hörer vor den Stimmen ab, die euch aus Tag und Nacht entgegentönen.“